Geleitwort
Ein Blick in das hier folgende Vorwort von Erich Trapp, das in seiner prägnanten Kürze die Schwierigkeiten der Vorbereitung bis zur Realisierung des neuen Lexikons gerade erahnen läßt, gibt mir den Anlaß, zu diesem denkwürdigen Beginn einige Anmerkungen zu machen.
Die Forschungspolitik der österreichischen Akademie der Wissenschaften erstreckte sich in den sechziger und siebziger Jahren vorwiegend auf einen angemessenen Ausgleich zwischen dem traditionsreichen Modell der Gelehrtengesellschaft mit ihrem reichen Potential persönlicher Publikationen der Mitglieder und dem modernen Vorbild wissenschaftlicher Großinstitutionen, die sich auf eine Vielzahl von Forschungsinstituten in fachlicher und regionaler Streuung stützen können. Damals erschien es dem Unterzeichneten gerade für kleinere Forschungseinheiten – an den Universitäten gerne als Orchideenfächer bezeichnet – wichtig, ihre Forschungsplanung auch mittel- und langfristig zu gestalten. Freilich bedurfte das angesichts der in unserem Land doch bescheidenen Möglichkeiten im Hinblick auf Finanzierung und Fachkräfte einer gehörigen Portion Mut und Optimismus. Speziell in der Byzantinistik, deren Aufbau in jenen Jahren auf dem universitären und außeruniversitären Sektor in Österreich meine ganze Sorge und Arbeit galt, sollten solche Projekte in Angriff genommen werden.
Als erstes konnte das Prosopographische Lexikon der Palaiologenzeit nach Vorarbeiten von einem Jahrzehnt in die Publikationsphase eintreten (1976). In der Planung folgten mit geringem Abstand die Tabula Imperii Byzantini, das Repertorium der griechischen Kopisten 800‒1600 und die neue Ausgabe des Patriarchatsregisters von Konstantinopel. So verschieden die genannten Projekte nach Inhalt und Methode der Durchführung sein mögen, so ließen sie sich mit den vorhandenen Mitteln nach menschlicher Voraussicht mehr oder weniger leicht und schnell durchführen. Daß die Tabula Imperii Byzantini mit geschätzten 40 Bänden in diesem Jahrtausend nicht vollendet werden konnte, war jedermann klar. Auch beim Patriarchatsregister mit seinem relativ großen Stab an Mitarbeitern und deren differenzierter Spezialisierung (Byzantinisten, Historiker, Philologen, Rechtshistoriker) mußte man mit langen Fristen rechnen.
Das Repertorium ist mit den Arbeiten am 3. Band weit fortgeschritten und soll mit einem 4. Band in wenigen Jahren finalisiert werden. Schließlich ist es mir eine besondere Freude, zugleich mit diesen Zeilen ein Nachwort für das Prosopographische Lexikon der Palaiologenzeit zu schreiben, das als erstes Langzeitprojekt der Wiener Byzantinistik noch in diesem Jahrhundert seinen Abschluß gefunden hat.
Trotz der oben angedeuteten Knappheit an finanziellen Mitteln und an überdurchschnittlichen Arbeitskräften wurde der umrissene Plan mittel- und langfristiger Projekte nicht aufgegeben. Vielmehr steht in dem neuen Lexikon zur byzantinischen Gräzität besonders des 9.‒12. Jahrhunderts, dessen erster Faszikel hier vorliegt, ein würdiger Nachfolger des Prosopographischen Lexikons der Palaiologenzeit auf der Liste der Wiener byzantinistischen Forschungstätigkeit, der auf dem Gebiet der Lexikographie einen sinnvollen Übergang ins neue Jahrtausend schaffen wird.
Für die Qualität des neuen Lexikons bürgen sein Initiator und die auf dem Titelblatt verzeichneten bewährten Mitarbeiter. Es wird für die österreichische Akademie der Wissenschaften eine selbstverständliche und der Tradition entsprechende Verpflichtung sein, das übernommene Projekt auch materiell jederzeit zu fördern.
In diesem Sinne wünsche ich dem Neugeborenen nicht multos, sondern – paucos annos.
Wien, März 1994
Herbert Hunger